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 Der Osten Deutschlands: Wilder Westen des Kapitalismus?
 G+J weiss, WO BARTHEL DEN MOST HOLT
 

Der Osten Deutschlands, eine DDR-Schrotthalde, ein Investitions- und Subventions-Friedhof? So haben's manche gern,  weil es ihr Engagement in den neuen Bundesländern heroisiert, bei ihnen eine gewisse Siedler-Mentalität toleriert wird.  Würde man über die Wende-Schnäppchen, die Investitionsgewinne gleichermaßen berichten � die Wende von West  nach Ost wäre da. Wenn es denn ein Beispiel dafür gibt, dann ist's Gruner + Jahrs "Sächsische Zeitung" in Dresden.  Ein Beispiel aber auch, warum sich der Osten vom Westen über den Tisch gezogen fühlt. Obwohl eine Arb eitslosigkeit von bis zu 40 Prozent das Selbstbewußtsein auf den Überlebenswillen reduziert, fühlen sich Mitarbeiter der DD+V  Dresdner Druck- + Verlagshaus GmbH provoziert, den Aufstand gegen ihren 60%-Gesellschafter G+J zu wagen. Motto:
 Wir erarbeiten die Gewinne. Was nicht bestritten, wohl aber als noch steigerungsfähig beurteilt wird. Und zwar auf  Kosten der Mitarbeiter-Konditionen. Die "Sächsische Zeitung", vor der Wende ein chemisch reines SED-Blatt mit hoher  Akzeptanz in der Bevölkerung (85% Haushalt-Abdeckung, zur Wendezeit 570.000 Auflage) und vor 1933 ein  SPD-Traditionsblatt, kam nach der Wende in den Privatisierungstopf der Treuhandanstalt. Aus dem G+J sie sich  angelte. Und die SPD mit am Haken hatte. Denn die meldete bei der Treuhand Altvermögens-Anspruch an und erhielt  im Rückübertragungsverfahren 40%, G+J 60%, zum Gesamtpreis von 180 Millionen DM. Heutiger DD+V-Schätzpreis: 2,5  Mrd. DM. Die Partner, sprich G+J, machten aus dem Treuhand-Schnäppchen einen Wonnepropen der  Konzern-Gesamtbilanz mit einem Umsatz von rund 300 Millionen und einem Gewinn von 24 Millionen DM in 1999.

Das schaffte keine andere Zeitung im G+J-Konzern auch nur annähernd. Warum also sollte da nicht noch mehr heraus  zu quetschen sein? Schließlich ist's Ehrensache, das defizitäre G+J-Blatt "Berliner Zeitung" im Prestigemarkt  Bundeshauptstadt zu subventionieren; weniger Kummer macht der "Berliner Kurier". DD+V-Geschäftsführer Dr. Mario  Frank weiß auch schon, wie man das Plus steigern kann: Man muß einfach die Mitarbeiter-Einkommen reduz ieren. Entscheidende Frage: Wie schafft man es die Tarifverträge zu umgehen? Ganz einfach � und schon ein alter Hut: Man  gründet Firmen, die nicht Mitglied des Unternehmerverbandes sind und als "Ausgliederung" von Unternehmensteilen  definiert werden. Und man schreibt (!) den outgesourcten Mitarbeitern in einem Markt höchster Arbeitslosigkeit: Entweder oder (Arbeitslosigkeit). Das lohnt und rechnet sich: Pro sogenanntem ausgegliederten "Regionalverlag"  (DD+V-Dependencen) lassen sich 200.000 DM p.a. einsparen. 19 Regionalverlage hat das Monopolblatt "Sächsische  Zeitung" ("SZ"). Ergo: 3,8 Mio. zusätzlicher Gewinn p.a.: � da kann ein ambitionierter Geschäftsführer schon auf einen  Posten in der Konzern-Hierarchie hoffen. Dr. Bernd Kundrun, Manager-Feinschliff bei Bertelsmann, bei G+J  verantwortlich für den Unternehmensbereich Zeitungen und designierter Nachfolger des Vorstands-Vorsitzenden Gerd  Schulte-Hillen: "Wir spielen nicht mit Mitarbeitern, sondern mit unternehmerischen Initiativen"! Und die sehen beim  Outsourcing zum Beispiel so aus: Ab 1. Dezember '99 übernimmt die neu gegründete "RuV Redaktions- und  Verlagsgesellschaft mbH", die, logo, nicht dem Unternehmerverband angehört und damit tarifvertragsfrei ist,  Dienstleistungsaufgaben für die "Sächsische Zeitung". In dieser Funktion liefert sie die Lokalteile für die DD+V-Blätter  "Freitaler Zeitung" und "Dippoldiswalder Zeitung". Der Mantel kommt von der "SZ". Das Besondere: Die DD+V ist mit  nur 6%, die SPD mit 4% an der RuV GmbH beteiligt. Je 45% des Stammkaitals von 50.000 DM halten der  stellvertretende "SZ"-Chefredakteur Jörg Seidel und der Regionalverlagsleiter Klaus Gertoberens. Der schreibt einem  outgesourcten Mitarbeiter unter anderm, daß er dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen kann. Aber:  "Bedenken Sie, daß Ihr Arbeitsverhältnis im Falle eines Widerspruchs höchstwahrscheinlich betriebsbedingt gekündigt  wird. Im DD+V wird höchstwahrscheinlich kein ... freier Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. Nach §6 des im DD+V  geltenden Sozialplans bestünde in diesem Fall kein Anspruch auf eine Abfindung"! Eine interessante Rechtssituation:  Obwohl RuV eine von DD+V unabhängige Rechtsperson ist, darf Gertoberens, quasi im Namen von DD+V den  outgesourcten Mitarbeitern schreiben: wenn du unsere Bedingungen nicht akzeptierst, dann bist du bei RuV und bei  DD+V deinen Job los! Der SPD-Gesellschafter? Als Unternehmer hat er dieser Outsourcing-Konzeption angesichts  steigender Gewinne nicht nur zugestimmt, sondern, so Betriebsratsvorsitzender Bernd Köhler, auch dafür plädiert, daß  die Kritik des Betriebsrates gering zu halten sei! Ein Mitarbeiter der Druckerei: "Und da fragt ihr uns, weshalb wir PDS  wählen"!

Schon frühzeitig wußten die G+J-Manager, daß man Springers Gelüsten mit der "Bild"-Zeitung Paroli bieten muß: Sie  gründeten die 100%-Tochter Morgenpost GmbH (DD+V) mit den Boulevard-Zeitungen "Dresdner Morgenpost" und  "Chemnitzer Morgenpost", die ihre Deckungsbeiträge selbst erwirtschaften und als Anzeigen-Sauger, sprich  umsatzsichernde Schutzschilde für die "SZ" fungieren. Die mit ihrer momentanen Auflage von 362.000 Exemplaren  eine der größten deutschen Regionalzeitungen ist und mit einer Haushaltabdeckung von rund 60% in den neuen  Bundesländern Gardemaß hat. In den Altbundesländern gelten laut BDZV etwa 65% als respektabler Durchschnitt.  Appetitzügler für potentielle (Anzeigen-) Konkurrenten ist auch die DD+V-Tochter Dresdner Magazin Verlag GmbH, in  der das "Immobilien Magazin" und die "maz motor auto zeitung" erscheinen. Beide: Siegertrophäen. Das "Immobilien  Magazin" wurde installiert, um einem Konkurrenten das Anzeigenaufkommen zu verwässern � mit Erfolg. Er wurde gekauft. Dito erging's dem "maz"-Verlag, der das Blatt in München, Leipzig und Dresden anbot und es für die angebotene Summe der DD+V-Tochter überließ. Jetzt grast es auf den Anzeigenmärkten in Dresden und Chemnitz. Den Monopolmärkten der "SZ".