Betriebsratsinfo Nr. 9 vom 13. Oktober 1999

Das Herz der SZ soll ausgerissen werden
Warum soll ausgegliedert werden?

Was ist von den Papieren und Erklärungen der DD+V-Geschäftsführung und SZ-Chefredaktion zum Thema ,,Ausgliederung von 6 Lokalredaktionen/Treffpunkten" zu halten? Sie entsprechen nicht der Wahrheit, erzeugen Empörung und wollen die Belegschaft spalten. Das war die Quintessenz der Abteilungsversammlung vom 8. Oktober, an der etwa 200 Kolleginnen und Kollegen teilnahmen. Wolfgang Barthel, stellv. Konzernbetriebsrats-Vorsitzender von G+J aus Hamburg, zitierte aus einem streng vertraulichen Strategiepapier der hiesigen Geschäftsführung. Dort sind die wirklichen Ziele der geplanten Ausgliederung aufgelistet:

Die Auslagerung aller Regionalverlage, die erklärtes Ziel der Aktion ist, soll nach unseren Informationen bis zum 1. Juli 2000 durchgesetzt werden. Das ergibt einen erhofften Gewinn von ca. 4 Millionen Mark pro Jahr. Auf Kosten der Arbeitnehmer!

Wolfgang Barthel mutmaßt, dass Geschäftsführer Dr. Mario Frank mit diesem ,,Gepäck" sich Hoffnungen macht, den im Jahr 2000 frei werdenden Posten des Zeitungsvorstandes bei Gruner + Jahr zu erhalten. Er nannte die veröffentlichten Papiere ein ,,Lügengebilde" und die gesamte Argumentation für die Ausgliederung eine ,,einzige Märchenstunde". Er fragte den Geschäftsführer: ,,Warum machen Sie den Kollegen etwas vor? Sie wissen es doch besser!" Dr. Frank wiederholte seine bekannte Argumentation und wollte sich an das geheime Strategiepapier nicht erinnern, nannte es schließlich ,,verjährt". Bei der geplanten Ausgliederung handelt es sich um einen Betriebsübergang nach Paragraph 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches. Das heißt: Nur im Jahr des Übergangs gelten die im Sozialplan verankerten Rechte der betroffenen DD+V-Mitarbeiter. Danach werden die Karten neu gemischt. Kein Geschäftsführer der neuen GmbHs kann seinen künftigen Mitarbeitern, selbst bei subjektiv gutem Willen, den Erhalt des jetzigen Gehalts- und Sozialniveaus garantieren.

Es wird nach dem Jahr des Übergangs zu Verschlechterungen kommen. Das zeigt die Praxis bei bereits erfolgten Betriebsübergängen. Darauf verwiesen die Vertreter von IG Medien und DJV. Hubert Engeroff vom DJV sagte zur Geschäftsführung: ,,Sie wollen die Tarifpolitik loswerden! Das ist der eigentliche Punkt." Er warnte, jede soziale Verantwortung auf dem ,,Altar der Gewinnmaximierung" zu opfern. Im Namen des DJV erklärte Engeroff: ,,Wir werden die geplanten Maßnahmen nicht hinnehmen." Die Geschäftsführung von DD+V habe mit ihrem Plan Belegschaft, Betriebsrat und Gewerkschaften zum Tanz aufgefordert. ,,Sie werden ihn kriegen!" Michael Kopp von der IG Medien erinnerte an jüngere Aussagen von Dr. Frank, es werde nicht an Ausgliederungen gedacht. ,,Man sieht, welche äußerst geringe Halbwertszeit solche Worte der Geschäftsführung haben."

Dr. Frank hatte zuvor die Regionalausgaben der SZ als das ,,Herzstück der Redaktion" bezeichnet. Eine Kollegin fragte ihn: ,,Warum wollen Sie dann dieses Herz ausreißen?" Eine überzeugende Antwort wurde nicht gegeben. Eine andere Kollegin aus einer betroffenen Lokalredaktion sprach von beträchtlichen ,,Herz-Rhythmus-Störungen". Wichtiger als Konzepte zur Auslagerung seien Konzepte von Geschäftsführung und Chefredaktion, wie die chronischen Unterbesetzungen und die enormen Überstunden in den Kreisen abgebaut werden könnten. Auch darauf gab es keine schlüssige Antwort.

Wie geht es weiter?

Wolfgang Barthel sagte: ,,Die Kollegen müssen sich zur Wehr setzen!" Wenn sich alle einig seien und dem geplanten Betriebsübergang widersprechen, werde sich die Geschäftsführung dreimal überlegen, was sie tut. Ohne erfahrene Mitarbeiter, die das tägliche Erscheinen der SZ-Regionalausgaben in hoher Qualität garantieren, ist keine Zeitung zu machen. Betriebsratsvorsitzender Bernd Köhler erinnerte an die Vorgänge im Jahr 1996 im Dresdner Stammhaus von DD+V: ,,Am großen Brocken Vorstufe und besonders der Geschlossenheit der Belegschaft hat sich das Management verschluckt." Nach mehr als zweimonatigen Auseinandersetzungen wurden im Dezember 1996 die Forderungen nach Ausgliederung vom Geschäftsführer zurückgenommen. Ein solches Ziel strebt der Betriebsrat auch jetzt an. Am 15. Oktober findet dazu das nächste Gespräch mit der Geschäftsführung statt. Der Betriebsrat setzt in dieser Woche die unterbrochene Abteilungsversammlung vor Ort in allen betroffenen Regionalverlagen fort. Wir bitten die Kollegen: Unterschreibt nichts ohne Rücksprache mit dem Betriebsrat! Lasst Euch nicht ins Bockshorn jagen und unter Zeitdruck setzen! Es geht um die Rettung Eurer Arbeitsplätze im tarifgebundenen Unternehmen und Rechtssicherheit!

Grüße aus Hamburg (Betriebsrat Hamburger Morgenpost)

Befremden bei der AfA

Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) / Betriebsorganisation in der SPD ist inzwischen von der Problematik der Ausgliederungen bei der Sächsischen Zeitung informiert. Die Verwunderung der Mitglieder des AfA-Bundesvorstandes war groß - insbesondere, dass die SPD als Gesellschafter dem Anliegen der Geschäftsführung des DD+V UB Zeitungen zugestimmt haben soll. Von Werner Schuh, stellvertretender AfA-Landesvorsitzender Sachsen, erfuhr der Betriebsrat von SZ / Mopo: ,,Der gesamte AfA-Bundesvorstand hat die Vorgänge mit Befremden zur Kenntnis genommen und mich beauftragt, dem Betriebsrat und den Kolleginnen und Kollegen mitzuteilen, dass er mit Euren Forderungen solidarisch ist."