BR-Informationen vom 30. September 1999

Am 21. September fand im Haus der Presse die Betriebs versammlung statt. Zu den vom Betriebsrat in der Einladung aufgeworfenen Fragen nahmen Führungskräfte wie folgt Stellung:

Ausgliederung - imer noch ein Thema?

Dazu sprach Herr Dietmann, Verlagsleiter: Er sagte zu nächst, von allen ostdeutschen Tageszeitungen machten nur SZ und LVZ Gewinne. Der Ge winn der SZ habe im vergan genen Geschäftsjahr 24 Millio nen Mark betragen. Davon sei en alle überrascht gewesen. Aber vor vier Jahren seien es noch zehn Millionen Mark mehr gewesen. Die Erwirtschaftung von Gewinn werde von Jahr zu Jahr schwerer. Allein im vergangenen Geschäftsjahr sei der Anzeigener lös um zehn Millionen Mark gesunken. Die Personalkosten aber seien stark gestiegen.

Man wisse noch nicht, wie sich die Diskussion um die 630-Mark-Jobs entwickle. Der Verlag rechne bei der Zustel lung der SZ mit Mehrkosten von vier Millionen Mark. Diese Entwicklung habe das Unter nehmen ,,kurzfristig überrascht"; auch deshalb habe der Betriebsrat nicht rechtzeitig über vorgesehene Personalveränderungen informiert wer den können. Auch drohe im Bereich der Rubrikenanzeigen schlimme Konkurrenz, vor allem im Internet. Da gebe es bereits Anbieter, bei denen Wohnungsinteressenten von ganz Deutschland aus virtuelle Spaziergänge durch angebotene Dresdner Wohnungen machen könnten. Warum sie das nicht bei SZ-online ma chen können, sagte Herr Dietmann nicht. All das werde es sehr schwer machen, die sechs Prozent Umsatzrendite zu erreichen, die für eine mög liche Gewinnbeteiligung not wendig seien. Diese Gewinn beteiligung sei ein ,,Geschenk der Gesellschafter an uns".

Von dieser Lage ausgehend, malte Herr Dietmann ein Szenariuum möglicher Gegenmaßnahmen, die sich auf vier Punkte konzentrierten:

1. ,,Ja, wir denken über Out sourcing nach." Dabei gehe es nicht darum, Personalkosten zu sparen, sondern dies sei ein geeignetes Mittel, um Sachkompetenz an Ort und Stelle anzusiedeln. Diese Va riante sei ihm am liebsten, da sie kaum Verschlechterungen für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen bedeute. Er ken ne niemanden in ausgegliederten Bereichen, der unglücklich darüber wäre. Schlechtere Be dingungen würden nur für neu Eingestellte gelten, die ande ren hätten ja Bestandsschutz.

2. Das Veranstaltungsmagazin der SZ macht 1,4 Millionen Mark Verluste im Jahr. Man muß also darüber nachden ken, ob es eingestellt werden soll oder nicht.

3. Nachgedacht werde auch über die Zusammenlegung von Lokalredaktionen (obwohl der Chefredakteur strikt dagegen sei, wie er wisse.

4. Denkbar sei auch eine Schließung von Treffpunkten. Man müsse bedenken: Ein kleiner Treffpunkt verursache ein Minus von 200.000 Mark im Jahr, das summiere sich. Man könnte also durchaus 5, 6 oder 10 Treffpunkte schließen.

Herr Dietmann erklärte, über all das werde nachgedacht, er hoffe aber, daß es nicht ein trete. Die wirtschaftliche Ent wicklung aber sei nicht rosig.

Betriebsratsvorsitzender Bernd Köhler machte auf verschie dene Konsequenzen solcher Schritte aufmerksam. So habe es für ausgegliederte Kollegin nen und Kollegen seitdem keine Tariferhöhungen mehr gegeben. Nicht nachvollzieh bar sei, wieso zur Konzentrati on von Kompetenz vor Ort ausgelagert werden müsse; di~ Schaffung von Regionalverla gen habe gerade dies geschaffen. Welche Entscheidungsbefugnisse Leiter an Ort und Stelle haben, entscheide nicht deren Rechtsstatus, sondern die Verantwortung, welche ihnen die Unternehmensorganition einräume.

Auch sei es unverantwortlich, eventuelle Verluste kleinerer Geschäftsbereiche immer wie der zu nutzen, um anderen mit einschneidenden Maßnahmen wie Auslagerung oder Zusam menlegung zu drohen. Auf diese Weise werde ein Klima der Unsicherheit und Angst erzeugt. Bernd Köhler fragte:Oder ist es etwa jetzt Strategie der Geschäftsführung, mit Drohung und Einschüchterung zu "führen"?

Die SZ mache ordentliche Gewinne, und es sei Aufgabe der Geschäftsführung, diese auch weiter zu gewährleisten - vor allem indem neue Geschäfts- felder erschlossen werden. Eine Ausgliederung von SZ online zum Beispiel schaffe keine neuen Gewinnmöglich- keiten. Viel zu lange sei dieser Bereich personell, kostenmä Big und führungsseitig ver nachlässigt worden. Eine Aus gliederung sei Augenauswischerei; damit gibt die SZ viel leicht ein entscheidendes Geschäftsfeld der Zukunft aus der Hand. Ähnlich verhalte es sich mit der Ausgliederung der Vertriebsorganisation, die mögli che Finanzprobleme allenfalls lt auf die schwächsten Glieder - die Mitarbeiter in den Medien- vertrieben und die Zusteller - abwälze, im Gegenzug aber fast jede Kontrolle der SZ über die Qualität der Zustellung auf hebe.

Unsinn sei, dass eine Gewinn beteiligung ,,ein Geschenk der Gesellschafter" sei. Es sei nichts weiter als eine Umverteilung von Gewinngeld, das alle Mitarbeiter gemeinsam erwirtschaftet hätten, und habe eine motivierende Funktion. Wer es als Geschenk bezeichne, zerstöre seine motivierende Wirkung.

Hartmut Maihöfer von der IG Medien erklärte, ein Unterneh men, das Verantwortung aus lagere, säge am eigenen Ast. Jeder vernünftige Unterneh mer würde vielmehr darauf achten, dass geschäftsent scheidende Kompetenz bei ihm verbleibe oder bei ihm konzentriert werde. Er wies weiter darauf hin, dass Verlust rechnungen für einzelne Abtei lungen falsch seien. Vielmehr könne z. B. eine Sekretärin weder Verlust noch Gewinn machen, zu bewerten sei daher das Gesamtergebnis.