BR-Informationen vom 11. November 1999

Jetzt erst recht gegen Ausgliederung

125 Betriebsratsmitglieder aus 21 Betrieben verabschieden Resolution gegen Ausgliederungen bei DD+V

Vorige Woche fand die Betriebsräte-Vollkonferenz von G+J statt. 125 Betriebsratsmitglieder von Betriebsräten aus 21 Unternehmen trafen sich in Hamburg. Eingeladen waren auch alle Vorstandsmitglieder und sämtliche
Personalleiter. Sie alle konnten die Worte des Vorstandsvorsitzenden Schulte-Hillen hören, der  dazu aufforderte, mit Informationen freimütig umzugehen. Nicht zu informieren bedeute dagegen Unsicherheit, und daraus erwachse Angst.

Sowohl Herr Schulte-Hillen als auch die anderen Vorstandsmitglieder legten in ihren Vorträgen großen Wert auf die Qualität der Produkte. So sagte z.B. Herr Ganz (zuständig für Ausland), die redaktionelle Qualität sei die sicherste Bank, um sich die Konkurrenz vom Hals zu halten. Er sagte weiter: ,,Zufriedenheit im Beruf erscheint uns in allen Ländern als Voraussetzung für Kreativität." Herr Wickmann (zuständig für den Sektor Zeitschriften Inland) berichtete, Mehrere Millionen z.B. aus Anzeigen wurden sofort wieder investiert- z.B. in Marketing-Aktionen-um die Auflagen zu halten, wo sie nicht gesteigert werden können. Da erhebt sich schon die Frage, warum das alles für Dresden nicht gelten soll.

Die Vorträge blieben natürlich nicht unkommentiert. Wir haben sehr viele Fragen gestellt, nicht viele Antworten bekommen und unserem Unmut deutlich Luft gemacht. Die Stimmung übertrug sich auch auf die anderen Betriebsräte-so ,,aufgewählt" war noch keine Betriebsräte-Vollkonferenz.

Herr Kundrun antwortete auf unsere Fragen u.a. so: ,,Nichts ist mir lieber, als durch Investitionen vorwärtszugehen und zu wachsen. Aber in Dresden haben wir den klassischen Falles geht nicht, da alles getan ist. Wir haben 100% des Marktes." Er sagte weiter auf einen entsprechenden Einwurf hin: ,,Wir spielen  nicht mit Mitarbeitern, sondern mit unternehmerischen Initiativen." Was immer man darunter verstehen mag.

Aus allen Vorträgen sprang uns -bei aller gebotenen kritischen Beurteilung des Marktes-die Grösse und wirtschaftliche Stärke von G+J regelrecht an. So sagte z.B. Herr Wickmann: ,,Wir sind der Verlag mit qualitativ hochwertigen Produkten". Herr Kundrun erklärte, der Umsatz im Zeitungsbereich sei steigend und nannte als Verursacher die ungarischen, rumLnischen und slowakischen Zeitungsbetriebe. Von Marktführerschaft war die Rede und von rasant steigenden Umsätzen im Online-Bereich (die Umsätze, die laut Dr. Frank und Herrn Dietmann der Sächsischen Zeitung dadurch wegbrechen, bleiben bei G+J). Übrigens erwirtschaftet G+J 2/3 des gesamten Bertelsmann-Gewinns!

Nachdem wir die anwesenden Betriebsräte von den Vorgängen in Dresden informiert  hatten, entstand die Resolution.

Sie wurde von allen anwesenden Betriebsräten beschlossen: Berliner Zeitung, Berliner Zeitungsdruck GmbH, Norddeutsche Verlagsgesellschaft, G+J TIP Magazin, G+J Electronic Media Service, Marie Claire Verlagsgesellschaft, Gruner+Jahr AG+Co (Verlag und Druck), Deutscher Presse Vertrieb, Inland Presse Vertrieb, Berliner Presse Vertrieb, Ehrlich & Sohn, Dresdner Druck- und Verlagshaus (UB Zeitungen und UB Druck), Capital Ost, Verlagsgruppe MOnchen, Verlagsbüro Hannover, Verlagsbüro
Düsseldorf, Verlagsbüro Frankfurt, Verlagsbüro Stuttgart, Verlagsbüro München, Verlagsgruppe Köln

ln der Geschichte der Betriebsräte-Vollkonferenz war dies die erste derartige Resolution.

Unterschriftensammlung: mehr als 400 Mitarbeiter/innen gegen die Ausgliederungen

Wir haben bereits vom Start der Aktion berichtet. Bis zum 11. 11., 10.00 Uhr ergab sich folgendes

XXX Kolleginnen und Kollegen des DD+V UB Zeitungen sprechen sich gegen die Ausgliederungen aus.
XXX Mitarbeiter/innen sind dafür.

Von den betroffenen 60 Mitarbeiter/innen haben sich 41 dagegen ausgesprochen, und X dafür.

Wer seine Stimme noch abgeben möchte, kann das im Betriebsratsbüro tun.

Weiteres Vorgehen des Betriebsrats

Der Betriebsrat fordert die Geschäftsführung auf, die Gespräche über die Ausgliederung weiter zu führen. Der Betriebsrat erwartet dazu ein serioses Terminangebot.

Der Betriebsrat hat sich beim Vorstandsvorsitzenden von G+J, Herrn Schulte-Hillen, angemeldet.

Der Betriebsrat verhandelt weiter mit der SPD, dass diese ihre Zustimmung zur Ausgliederung zurücknimmt, weil sie auf falschen Aussagen der DD+V-Geschäftsführung beruht (z.B.  Konsens mit Betriebsrat). Der Betriebsrat hat sich bei Herrn Müntefering angemeldet, dem künftigen SPD-Generalsekretär.

Am 15. 11. 1999 werden die Tarifverhandlungen zur Arbeitszeit im DD+V fortgesetzt. Es ist erklärtes Ziel der Gewerkschaften, die Forderung nach Ausdehnung der Tarifverträge auf die neuen GmbHs in diese Verhandlungen einzubringen.

Welche Möglichkeiten haben die von Ausgliederung Bedrohten?

Am 3. 11., als der Betriebsrat auf dem Weg nach Hamburg war, erhielten alle Betroffenen das Schreiben mit der offiziellen Mitteilung der Ausgliederung zum 1. 12. 1999. Mit Erhalt dieses Schreibens begann die wchtige Widerspruchsfrist.

Bis Ablauf der Widerspruchsfrist sollte niemand etwas unterschreiben, auch keinen neuen Arbeitsvertrag oder ähnliches. Die schriftliche Bestätigung des Erhalts des Schreibens ist keine bindende Unterschrift im Sinne einer Anerkennung der Ausgliederung.

Bei Widerspruch ist mit einer betriebsbedingten Kündigung zu rechnen. Dabei gelten die jetzigen Kündigungsfristen laut Tarifvertrag (Kündigungen dürfen nur zum Quartalsende ausgesprochen werden).  Anzuwenden ist die Sozialauswahl, und zwar in Bezug auf das Gesamtunternehmen.

Wer gekündigt wird, kann dagegen klagen (Kündigungsschutzklage). Erfolg kann diese Strategie nur haben, wenn dies die überwiegende Mehrheit der Betroffenen tut. DJV und IG Medien übernehmen in diesen Fällen die Anwalts- und Gerichtskosten und stellen Anwälte, jedoch nur für ihre Mitglieder. Alle anderen können ggf. ihre Rechtsschutzversicherung in Anspruch nehmen.

Der Betriebsrat steht für individuelle persönliche und telefonische Beratung ab sofort täglich bis 21 Uhr zur Verfügung. Solange ist das Büro besetzt. Telefonnummer: (0351) 46842 - 88 oder - 0897. Der Betriebsrat ist auch bereit, sich auf Wunsch jederzeit an Ort und Stelle mit euch zu treffen.